Tacheles Reden: Jetzt oder Nie

Trotz vielfacher Briefe, Gesprächsangebote und Aktionen, scheint der Senat Berlins nicht verstehen zu wollen, wie viel im vorgelegten Entwurf für den Haushalt 2024/2025 für Berlins Freie Szene auf dem Spiel steht.

Die jahrzehntelange Aufbauarbeit und wichtigen Investitionen in die Strukturentwicklung einer vielfältigen, spartenübergreifenden Freien Szene, die weltweit mit Abstand ihresgleichen sucht, drohen jetzt arglos über Bord geworfen zu werden.

Im Haushaltsentwurf der Regierungskoalition finden die Kostensteigerungen durch Inflation und Energiekosten keine Berücksichtigung und entsprechen faktisch einer versteckten Kürzung. Dies hat empfindliche Auswirkungen auf die künstlerische Produktion der Freien Szene. Zudem werden nicht ausreichend Mittel eingeplant, um die dringend notwendigen Mindesthonorarstandards spartenübergreifend einzuführen, als Konsequenz werden Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, die zu Altersarmut führen, billigend in Kauf genommen.

In den Änderungsanträgen der regierenden Koalition zum Haushaltsentwurf finden sich zwar einige wichtige Verbesserungsvorschläge – jedoch weder annähernd die Summe der existenziell notwendigen Mittel, noch die transparente Titelstrukturierung, die im Entwurf fehlt.

Von der Infragestellung der Etablierung der Alten Münze als Ort für die Freien Szene, bis zur sang und klanglosen Streichung der vierjährige Konzeptförderung für die freien Projekträume- und Initiativen, von den fehlenden eigenen Haushaltstiteln für das Atelierprogramm und PROSA bis hin zu massiven Kürzungen und Mittelverlagerungen von über 2 Millionen Euro im Fördersystem für Darstellende Künste und Tanz – sowie der Absage an den mit der Kulturverwaltung erarbeiteten Honorarerhöhungen für freie Lehrkräfte An Jugendkunstschulen (sie bleiben nun so niedrig wie 2009, ein Hungerlohn): Die kommenden zwei Jahre bedeuten ein Bangen und Ringen um die nackte Existenz für Berlins Freie Szene.

Denn die Einkommen im Kulturbetrieb, wie eine brandneue Studie des Deutschen Kulturrat nachweist, gehören, nach wie vor, mit zu den schlechtesten. Und die Krise des bezahlbaren Wohn- & Arbeitsraums in Berlin zu der extremsten deutschlandweit. Hier überleben ist schwer. Hier zu Besuch sein hingegen, ist fein! Zahllose Besucher*innen kommen aus aller Welt, um in Berlin die kulturelle Vielfalt zu erleben. Die Tourismuszahlen in Berlin konkurrieren mit denen von Paris, London, Rom, etc. Auch die oft beschworenen Leuchttürme der künstlerischen Exzellenz oder der Kulturwirtschaft benötigen ein Überleben der Freien Szene, ein Überleben der einzelnen Künstler*innen, die die Szene ausmachen. Sollte die geplanten Kürzungen im Kulturhaushalt kommen, wird die gesamte Stadt das letztlich spüren.

Wir fordern eindringlich die Einrichtung eines „Runden Tisches Freien Szene“, um den Status Quo zu evaluieren und notwendigen Schritte der Förderstruktur und zur Sicherung und dem Ausbau der Freien Szene in Berlin im Austausch mit Politik und Verwaltung festzulegen. Hierzu gehört auch die Entwicklung von tragfähigen Ansätzen für die verbesserte Nutzung der Strukturen und Kooperation mit den fest finanzierten Kulturinstitutionen durch und mit den Akteur*innen der Freie Szene.

Wir sind Gesprächsbereit – und die Zeit läuft uns davon.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht: „Kunst, Kultur und Kreativität sind tragende Säulen der Hauptstadt und gehören zu Berlins Selbstverständnis. Die Koalition bekennt sich zu den Grundsätzen der Freiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der künstlerischen und ökologischen Nachhaltigkeit …“

Diese gewollte Nachhaltigkeit ist definitiv nur möglich, wenn die Rahmen dafür gesetzt werden. Zwei der wichtigsten Stellschrauben sind Honoraruntergrenzen und Mindesthonorare. Wir begrüßen zwar die Erwähnungen im Haushaltsentwurf, ermahnen aber zugleich, dass diese bei den Summen viel zu klein gedacht sind, um die Szene zu stabilisieren. Bereits die Kulturverwaltung bezifferte den benötigten Betrag mit 3 Millionen Euro.

Wir appellieren an die Regierungskoalition und an die Kulturverwaltung vorgenommene Kürzungen zurück zu nehmen, geforderte Aufwüchse insbesondere für faire Honorare zu berücksichtigen und somit den Haushalt resilient zu gestalten und Ihr Koalitionsvertrag einzuhalten.

Der Sprecher*innen-Kreis der Koalition der Freien Szene Berlin

Laurence Barbasetti, Daniel Brunet, Cilgia Gadola, Natalie Gravenor, Zoë Claire Miller, Isolde Nagel, Kerstin Quitsch und Kerstin Wiehe