Der Koalitionsvertrag enthält gute Absichten, aber wenig Konkretes.
Die Freie Szene findet leider kaum Erwähnung. Ohne uns geht es aber nicht!
Die Freie Szene findet leider kaum Erwähnung. Ohne uns geht es aber nicht!
Soziale Absicherung
„Faire Vergütung wird weiterhin durch Mindestlöhne und Mindesthonorare sichergestellt“.
Erstens gibt es bisher lediglich Empfehlungen zu Honoraruntergrenzen (HUG) und keine gesetzlichen Vorgaben. Zweitens ist fraglich, weshalb nur Mindestlöhne/-honorare angestrebt werden und nicht angemessene Löhne. Immerhin ist die Weiterentwicklung der HUG mit den Verbänden ein erster Schritt in die Richtung, von der auch spartenübergreifenden Künstler*innen und Kunstschaffende der Freien Szene profitieren werden.
„Die Koalition hat das Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in allen Bereichen künstlerischer Arbeit zu verbessern und wird nach einer Analyse geeignete Maßnahmen umsetzen“.
Diese allgemeine Absichtserklärung lässt konkrete Vorschläge zur Einbeziehung der Freien Szene, bspw. durch Mutterschaftsstipendien, vermissen. Maßnahmen hierfür dürfen sich aber nicht auf das Spitzenpersonal der Institution beschränken. All unsere Versuche, Stipendien im Zuge der Pandemie an soziale Kriterien zu koppeln, wurden von der links-geführten Kulturverwaltung abgeschmettert. Wir beobachten die Entwicklung in diesem Bereich daher besonders kritisch.
Arbeitsräume für Kunst und Kultur
Wir begrüßen die Absicht, künstlerische Arbeitsräume in neuen Stadtquartieren stärker zu berücksichtigen. Noch zielführender wäre ein verbindlicher Stadtentwicklungsplan Kultur (StEP). Denn Räume für Arbeit, Produktion und Präsentation der verschiedenen Sparten der Freien Szene wurden bei den sich in Planung befindlichen neuen Stadtquartiere nicht mitgedacht. Ähnliches gilt für den Kulturkataster und kulturelle Zwischennutzungen, die es vom Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode erneut in den Koalitionsvertrag geschafft haben, da sie nie angegangen wurden.
Wir bezweifeln, dass die Ziele des Arbeitsraumprogramms (ARP) durch eine Fokussierung auf landeseigene Immobilien realisiert werden können. Die Sicherung von Räumen nur in landeseigenen Immobilien geht uns nicht weit genug. Auch fehlt im Koalitionsvertrag die Erwähnung des Bündnisses „Kultur Räume Berlin“ mit einer Prognose zu dessen zukünftiger Ausgestaltung. Als Bündnispartner – über unseren Trägerverein mit dem Projekt PROSA – fordern wir weiterhin eine unabhängige, vom Parlament kontrollierbare Aufhängung des Bündnisses. Wir erwarten, dass sich die angekündigte Stärkung des ARP im nächsten Kulturhaushalt niederschlägt.
Kulturpolitik ist für die Freie Szene immer ressortübergreifende Politik. Daher begrüßen wir, dass der Runde Tisch Liegenschaften weiterhin stattfinden soll. Den Aufbau einer Taskforce für bedrohte Räume unterstützen wir und fordern, hierbei die Expertise von PROSA einzubinden.
Förderlandschaft
Wir begrüßen, dass ein pandemiebedingtes Neustartprogramm Kultur „in Ergänzung zu den Bundesprogrammen“aufgelegt werden soll. Wir stehen hier gerne weiter – wie in den vergangenen zwei Jahren – mit unserer Expertise zur Verfügung, damit niemand aus der äußerst diversen Freien Szene durch das Raster der Hilfen fällt. Die Verbände sind hier bereits wertvolle Gesprächspartner, jedoch müssen auch die nicht in Verbänden organisierten freien sowie transdisziplinär arbeitenden Künstler*innen in den Gesprächen vertreten sein.
Wir begrüßen, dass die Berliner Kulturförderung evaluiert und neujustiert werden soll. Wir freuen uns auch, dass die Koalition unsere Forderung aufgegriffen hat, Künstler*innen und Kunstschaffende mit Kindern bei Förderungen und Stipendien stärker zu berücksichtigen. Ebenfalls begrüßen wir, dass Diversität in der Förderung stärker berücksichtigt werden soll und Maßnahmen zur Gendergerechtigkeit ergriffen werden. Einen weiteren, zusätzlichen Fördertopf zum Ausbau der Barrierefreiheit begrüßen wir. Im Sinne der Fördergerechtigkeit für die Freie Szene stellen wir bei der weiteren Evaluierung und Neujustierung gerne unsere Expertise zur Verfügung. Eine Unterfütterung der angekündigten Zusammenarbeit mit finanziellen Mitteln halten wir für angemessen.
Der Pandemie hat auch gezeigt, wie wichtig eine Evaluierung und Neujustierung die Förderlandschaft für die Freie Szene ist. Deshalb fordern wir einen Runden Tisch Freie Szene, um die oben genannten Themen zu untersuchen, zu diskutieren und zu Lösungen zu kommen. Die Kulturförderpraxis muss weg von der ergebnisorienten Projektlandschaft und hin zu einem prozessorienten Verständnis von Kultur- und Künstler*införderung. Das Beispiel der Sonderstipendien 2020 sowie die flächendeckende Aufstockung verschiedener Stipendiumprogramme des Kultursenats in 2021 sind Schritte in die richtige Richtung.
Generell fordern wir eine Stärkung der Selbstverwaltungsstrukturen der Verbände und Initiativen der Freien Szene. Denn ihre wichtige Arbeit – die auch die Verwaltung entlastet – wird fast ausschließlich im Ehrenamt geleistet. Ohne eine finanzielle Basisunterstützung droht die Freie Szene Schaden zu nehmen.
Wir vermissen im Koalitionsvertrag zudem konkrete Themensetzungen für die einzelnen Sparten der Freien Szene. So gibt es in einzelnen Sparten weiterhin strukturelle Förderlücken und -defizite. Wir fordern hier mehr Spartengerechtigkeit, verbindliche Vergabeordnungen, mehr Transparenz und Beteiligung in den Prozessen sowie eine Raum- und Standortstatistik.
Für PROSA fordern wir einen eigenen Haushaltstitel.
Wir bedauern, dass die Entwicklung des Flughafengebäudes Tempelhof als Ort für Kultur- und Kreativwirtschaft nicht einmal mehr Erwähnung mehr findet. Unsere AG Tempelhof hält ihre Forderung der Entwicklung zu einem zentralen Standort für die Freie Szene aufrecht.
Partizipation
„Die Koalition bekennt sich zu partizipativen Verfahren und wird die Berliner Kulturschaffenden auf Augenhöhe kooperativ beteiligen“.
Ein allgemeines Bekenntnis zu partizipativen Verfahren reicht uns nicht, denn es mündete in der Vergangenheit allzuoft in Scheinbeteiligung. Wir fordern eine nachhaltige Beteiligung auf Augenhöhe in allen Bereichen der Förderung der Freien Szene und zählen hier auf einen der Koalitionspartner, für den Bürger*innenbeteiligung und Transparenz unabdingbar zu einer erfolgreichen und demokratischen Realpolitik gehören.
Kulturelle Bildung
Die gewachsene Struktur der Berliner Programme der Kulturellen Bildung in Berlin findet keinerlei Erwähnung im Koalitionsvertrag (TUSCH, TANZZEIT, Kulturagent:innen, QuerKlang, TUKI, Lesezeit, Poetische Bildung, MAX Artists in Residence, Kinderkulturmonat usw.). Ebensowenig wird der Projektfonds Kulturelle Bildung mit seiner wichtigen Schnittstellenaufgabe zwischen den Ressorts Kultur und Bildung erwähnt. Gerade in diesem Bereich braucht es aber nicht nur eine verbindliche Stärkung der Strukturen sondern auch ihre dezidierte Weiterentwicklung. Berlin gilt hier als bundesweites und internationales Vorbild. Daher braucht es hier einen Runden Tisch Kulturelle Bildung zur gemeinsamen Neujustierung und Weiterentwicklung!
Kulturfördergesetz
Die Koalition der Freien Szene hat sich an dem Prozess für ein Kulturfördergesetz beteiligt und wird die versprochene Prüfung der Arbeitsergebnisse kritisch begleiten.
Film und Medien
Wir begrüßen, dass Film und Medien im Koalitionsvertrag viel präsenter sind als noch 2016. Zudem wurden konkrete Zielvorgaben aufgenommen, wie eine stärkere Filmfestivalförderung, die Erhöhung der Förderung der Produktion von weniger kommerziellen Gattungen wie Dokfilm, Animation, Experimentalfilm, Ausbau der Kinoförderung u.a.
Kritisch sehen wir, dass das Medienboard das zentrale Förderinstrument für diese Sparten bleibt, während es kaum Raum für selbstverwaltete oder dezentral vergebene Mittel gibt. Es bleibt unklar, ob SenKultEur weiterhin Filmprojekte fördert oder nun alles dem Medienboard überträgt. Letzteres wäre nur mit einer Aufstockung des MBB-Budgets vereinbar.
Wir begrüßen hingegen, dass unsere Forderung nach mehr Transparenz bei der Fördervergabe durch das Medienboard aufgenommen wurde.
Der Sprecher*innen-Kreis der Koalition der Freien Szene