Sehr geehrte Damen und Herren,
Am 19. September 2024 hat der Finanzsenator den Kulturakteur:innen Berlins die Haushaltsnotlage des Landes Berlin erläutert und ein Einsparvolumen von 110 bis 150 Millionen Euro oder mehr für 2025 und 2026 in den Raum gestellt.
Seit über 12 Jahren vertreten wir als Koalition der Freien Szene Berlin die Interessen der
über 40.000 Künstler:innen in Berlin. Dabei konnten wir für strukturelle Missstände
sensibilisieren, neue Förderinstrumente mitgestalten und so die berufliche Situation vieler
Akteur:innen der Freien Szene verbessern – hier seien nur stellvertretend genannt das
Raumbüro Freie Szene, die Spartenoffene Förderung und die Arbeitsstipendien.
Doch nun blicken wir mit großer Sorge auf die Haushaltslage und die massiven
angekündigten Einsparungen. Einrichtungen und Verbände der Kultur wurden aufgefordert,
Sparmaßnahmen vorzuschlagen. Wir stehen in Solidarität mit allen institutionellen
Einrichtungen und werden keine Verteilungskämpfe bestreiten – zumal viele Akteur:innen
der Freien Szene ihre Honorare von Einrichtungen erhalten. Wir weisen aber darauf hin,
dass die Freie Szene bereits jetzt unter oft prekären Bedingungen arbeitet, da ihre
Einrichtungen und Akteur:innen massiv unterfinanziert sind. Tarifaufwüchse,
Inflationsausgleich, oder Hilfen für steigende Mieten und Energiekosten erhielt sie nie.
Der massive Anstieg der Antragszahlen aus der Freien Szene bei gleichbleibenden
Fördersummen – und die damit einhergehende Diskrepanz zwischen förderwürdigen und
tatsächlich geförderten Projekten – zeigt den realen Bedarf und die eklatante
Unterfinanzierung der Freien Szene Berlins. Das Einfrieren von Honoraren sowie Kürzungen
der Mindesthonorare sind eine Rolle rückwärts und bedrohen viele Künstler:innen und
Kulturarbeitenden existenziell. Wir solidarisieren uns mit allen von Kürzungen betroffenen
Künstler:innen und ihren Einrichtungen.
Jegliche Kürzungsansätze schwächen massiv die Strukturen, die in den vergangenen
12 Jahren aufgebaut wurde. Berlin droht seine weltweite Anziehungskraft als
kulturelle Avantgarde zu verlieren. Kunst und Kultur haben lediglich einen Anteil von
2,5 % am Gesamthaushalt – es ist nicht hinzunehmen, dass das kleinste Ressort die
brutalsten Kürzungen erfahren soll, zumal in Zeiten von Demokratiefrust und
bröckelndem gesellschaftlichen Zusammenhalt!
Der Stellenwert der Freien Szene als international einmaliges Aushängeschild der
Berliner Kulturlandschaft ist in Stadtgesellschaft, Tourismus wie Kulturszene
unbestritten. Jeder Euro für die Kultur ist eine Investition in die ideelle,
gesellschaftliche und wirtschaftliche Infrastruktur Berlins!
Freie Kunst und Kultur sind – ebenso wie Bildung, Forschung und Soziales – keine Industrie
zur persönlichen Gewinnmaximierung, sondern wichtige Pfeiler einer aufgeklärten, stabilen,
pluralistischen Gesellschaft. Den Freien Künste kommt dabei die Rolle zu, auch
marginalisierten Communities die soziale Teilhabe zu ermöglichen, die sich von
traditionellen Kultureinrichtungen nicht angesprochen fühlen.
Unsere Räume sind wesentliche Stadträume für Experimente, für dialogorientiertes
Miteinander und für Kulturvermittlung, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.
Einsparungen in dieser ohnehin schon fragilen Struktur führen auch zum Erodieren sozialer
Teilhabe und demokratischer Sozialisierung.
Deshalb rufen wir als Koalition der Freien Szene gemeinsam und solidarisch mit dem
Verbund der Opern- und Konzerthäuser, der Sprechtheater, der Revue und des
Kabaretts sowie allen sonstigen Einrichtungen und Akteur:innen der Kulturlandschaft
in Berlin den Senat dazu auf, bei den anstehenden Haushaltsberatungen den
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellenwert der Kultur in den Fokus zu
nehmen und ihrer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit Berlins gerecht zu werden.
Wir sind zuversichtlich, dass Sie den Stellenwert der Kultur als Standortfaktor für Berlin
anerkennen. Wir sind zuversichtlich, dass Sie nicht mit dem Rasenmäher über die
Kulturwiese fahren werden.
Wir appellieren an Sie: Graben Sie der Kultur Berlins nicht das Wasser ab.
Der Sprecher:innenkreis
der Koalition der Freien Szene Berlin