Halbzeitbilanz der Koalition der Freien Szene zum r2g 2019
– Von enttäuschend bis katastrophal –
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Die Freie Szene zieht nach zweieinhalbjähriger Berliner Kulturpolitik von r2g eine ernüchternde Bilanz. Seitens des Kultursenats ist von 20 Mio. Aufstockung für die Freie Szene die Rede, die Zählung der Freien Szene ergibt jedoch allenfalls 11 Mio., welche durch die steigenden Kosten für Wohnen und Räume schon weitgehend aufgezehrt werden. Immer noch nur 5 % des Kulturhaushaltes stehen für 95% der Künstler*innen Berlins. Das Arbeitsraumprogramm ist gescheitert, die Raumsituation für Künstler*innen nach wie vor katastrophal. Und auch wenn Mittelaufstockungen in einigen Bereichen zu der Zahlung von Mindesthonoraren geführt haben, werden schließlich weniger Projekte gefördert, weil es kaum Erhöhungen über diese Anpassungen hinaus gibt. Das Potential der City Tax als mögliche Geldquelle zur Beseitigung dieses Missstandes wurde zwar erkannt und ein Festivalfonds eingeführt und doch haben die Künstler*innen der Freien Szene noch immer keinen fairen Anteil an den immer weiter steigenden Einnahmen.
Im Koalitionsvertrag r2g (S. 120) stand im Wortlaut: „Partizipation und regelmäßiger Dialog mit den Kulturschaffenden Berlins bieten die Grundlage für die zukünftige Kulturpolitik. Dazu werden Netzwerke und selbstorganisierten Strukturen unterstützt und die administrativen Arbeitsstrukturen gestärkt.“ Dies kann aber nicht passieren, wenn der Sachverstand der Künstler*innen und Kulturproduzent*innen sowie ihre Selbstverwaltungsstrukturen in der Gestaltung und Realisierung der Berliner Kulturpolitik systematisch unberücksichtigt bleibt. Besonders deutlich wird dies hinsichtlich der Raumproblematik, und dabei vor allem bei der einseitigen Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens der Kulturverwaltung durch die Abschaffung der Raumkoordinator*innen der Freien Szene zum Ende des Jahren 2018. Auch mit der Idee eines zentralen Raumbüros bleibt es offen, wie eine professionelle immobilienwirtschaftliche Arbeit solch einer Verwaltungskonstruktion gewährleistet werden kann und wie die Zusammenarbeit mit den Akteuren der freien Kunstszene professionalisiert werden soll. Wenn das Tempo der entwickelten Räume im Arbeitsraumprogramm so weiter geht, wird das Parlament dieses Förderinstrument streichen, noch bevor es jemals seine Aufgabe erfüllt. So ist seit dem Beginn des sogenannten Arbeitsraumprogramms nach der Hälfte der Wahlperiode der Bestand an verfügbaren Räumen nur um 4% gewachsen – bei verfünffachtem Mitteleinsatz! Für Darstellende Kunst/ Tanz, Projekträume, Literatur und Musik betrug der Zuwachs zusammengenommen gerade einmal 5 Räume. Angebliche Vorzeigeprojekte für Partizipation wie die Alte Münze und das Flughafengebäude Tempelhof entwickeln sich wegen unklarer Haushaltsvorgaben und unreifer Prozessgestaltung zur Scheinpartizipation und laufen ins Leere.
Die Freie Szene sucht weiterhin den echten Dialog mit der Verwaltung und im Parlament und fordert einen inhaltlichen Neustart der Kulturpolitik. Bei einem „Weiter So“ ist Berlins Rolle als eine Welthauptstadt für künstlerische Produktion ernsthaft in Gefahr.
Alle nötigen Maßnahmen sind im Forderungskatalog der Koalition der Freien Szene („11 Punkte“) beschrieben und mit Zahlen untermauert.
Zum Raumproblematik hat die Koalition der Freien Szene gerade einen offenen Brief initiiert, der von zahlreichen Initiativen und Orten mitgezeichnet wurde.