von Muriel Nestler und Corinna Vosse (AG Materielle Infrastruktur)
In der weltweiten, personenbezogenen Emissionsberechnung beträgt der Anteil des Bereichs „Öffentlicher Konsum“ etwa ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen. Unter „öffentlichen Konsum“ fallen Emissionen, die durch staatliches Handeln verursacht werden, das im Prinzip allen Bürger*innen gleichermaßen zugutekommen soll – wie etwa der geförderte Betrieb von Bildungs- und Kultureinrichtungen.
Damit die Stadt klimaresilient wird, muss auch dieser Kunst- und Kulturbetrieb nachhaltiger werden – insbesondere in einer Kulturmetropole wie Berlin. Wichtige Schraubstellen hierfür sind neben den Reisen von Künstler*innen, dem Transport von Materialien und der Energieeffizienz von Gebäuden auch die Produktion von Projekten.
Im aktuellen Kulturförder-System entstehen Inszenierungen und Ausstellungen projektweise unter hohem Ressourcenaufwand. Viele verarbeitete Materialien wie z.B. Holz und Metall oder auch Technik bleiben nach der Projektlaufzeit ungenützt. Oft werden diese aus der Nutzung gefallenen Anschaffungen zum Rohstoff-Recycling der BSR überlassen oder privat gelagert.
Es gibt in der Kunstproduktion jedoch bereits Nachhaltigkeits-Netzwerke (Performing for Future, Gallery Climate Coalition und weitere), die ihren Arbeitsalltag ressourcenschonender gestalten wollen. Auch Verbände und Einzelpersonen aus der künstlerischen Produktion arbeiten an einem Kulturwandel und fordern von der Kulturförderpolitik eine Unterstützung beim Wandel von der linearen Ressourcenverwendung hin zur Kreislaufwirtschaft.
Eine Kulturmetropole wie Berlin muss gebrauchtes Material im Nutzungskreislauf halten.
Dafür müssen die Produktionsplanung sowie -durchführung und umgestellt werden und es braucht mehr Arbeitsaufwand und Lagermöglichkeiten. Die vom Senat für Kultur beauftragte Studie über Materielle Infrastruktur in der Berliner Kultur und Kulturförderung vom Februar 2022 gibt folgende Handlungsempfehlungen:
„Angebot und Nachfrage nach materiellen Ressourcen fallen häufig zeitlich auseinander. Um größere Materialaufkommen aus Kultureinrichtungen für die Wiederverwendung zugänglich zu machen, ist somit neben einer Online-Plattform auch ein (oder mehrere) Pufferspeicher vonnöten. Mit entsprechender Inventarisierung können Fundus bestehender geförderter Kultureinrichtungen diese Funktion teilweise übernehmen. Jedoch klagen die Verantwortlichen schon jetzt über Platzmangel. Um auch Materialaufkommen aus anderen Sektoren aufzugreifen, insbesondere aus der Kulturwirtschaft, reichen die vorhandenen Materialdepots und deren Ausstattung nicht aus.
Ein zentraler Fundus, der spartenübergreifend von allen Kulturakteuren genutzt werden kann und wo auch ein Wissens- und Erfahrungsaustausch über ressourcen- und klimaschonende Planung und Produktion stattfindet, kann dazu beitragen, die Ursachen des zu hohen Materialdurchsatzes zu beseitigen.“
Die für Lagerflächen geeigneten Räume sehen wir in den großen, verkehrstechnisch gut angebundenen Flächen des ehemaligen Flughafen Tempelhof, im Keller der Alten Münze oder in der Umnutzung von Parkhausdecks. Da für Lagerflächen weder Heizung noch Tageslicht erwünscht sind, können Räume genutzt werden, die für Büros oder Wohnen ungeeignet sind. Die baurechtlichen Hindernisse der Flughafenhangars sind somit Chance für eine nachhaltige Stadtentwicklung, die Ressourcen effizient bündelt, Leerstand vermeidet und effektive Verteilungsstrukturen aufbaut.
Das Berliner Zentrum für ressourcenschonende Kunst- und Kulturproduktion könnte in einem mehrgeschossigen Containerdorf zuhause sein, in dem Menschen über Baustellen-Lifts und überdachte Treppenhäuser zwischen Fundus, Büro und Arbeitsräumen pendeln.
Hier Studie über Materielle Infrastruktur in der Berliner Kultur und Kulturförderung herunterladen: Download als PDF