IHK Berlin, Visit Berlin, Stiftung Zukunft und Koalition der Freien Szene unterstreichen die Umwegrentabilität von Kunst und Kultur für das Wirtschaftsstandort Berlin

Vor dem Hintergrund der angespannte Haushaltslage und der massiven Kürzungen, welche schon seit 2025 wirksam geworden sind, hat die Koalition der Freien Szene zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die am 22. Juli im English Theatre Berlin | International Performing Arts Center stattgefunden hat.

Moderiert von Daniel Brunet (KdFS), haben Henrik Vagt (IHK Berlin), Notker Schweikhardt (Visit Berlin), Kerstin Wiehe (KdFS, Kulturunternehmerin) und Christophe Knoch (Mitglied des Vorstands, Stiftung Zukunft Berlin) die Bedeutung von Kultur und Kunst für Berlins Ökonomie diskutiert.

Steigende Kosten und reduzierte Mittel stellen eine dramatische, doppelte, existentielle Gefahr für Berlins Kultur- und Kunstszene dar – vor allem für die sehr prekäre Freie Projektlandschaft.

Alle Podiumsteilnehmer*innen konnten sich sofort darauf einigen, dass Investitionen in Kultur und Kunst keine „verlorenen Zuschüsse sind“, sondern unverzichtbarer Treibstoff für den ökonomischen Motor der Stadt, der einen bedeutenden Beitrag dabei schafft, die Attraktivität der deutschen Hauptstadt zu steigern, sowohl für kurzfristige Besucher*innen als auch für Arbeitskräfte die langfristig nach Berlin ziehen.

Jeder Euro, der in Kultur und Kunst investiert wird, bringt mehrere Euro zurück. Sei es in Form von Übernachtungen, Gastronomie, Nachtleben und Einkäufen oder auch der Nutzung von Kultur und Kultureller Bildung.

Aktuell gilt es die Rahmenbedingungen für die Freie Szene zu stabilisieren und sicherzustellen, dass die Attraktivität des Kultur- und Tourismusstandorts Berlin nicht noch weiter sinkt.

Die Lösungsansätze sind so divers, wie die Herausforderung groß ist – zwei direkte Möglichkeiten wären, die lange erwartete und geforderte Evaluierung und Anpassung der gesamten freien Fördermatrix, den sogenannten „Runden Tisch Freie Szene“ und die Übernachtungssteuer, die sogenannte „City Tax“, in eine verbindliche Kulturabgabe zu überführen.

„Kultur und Kunst sind auf keinen Fall „nice to have“. Sie sind wichtige Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin und machen diese Stadt zu dem, was sie ist: eine Kulturhauptstadt, die weltweit ihr Ebenbild sucht. Die aktuelle Situation der Kürzungen ist brandgefährlich und muss sofort abgewendet werden“, sagt Daniel Brunet, ein Sprecher der Koalition der Freien Szene und Moderator der Diskussionsrunde.

Henrik Vagt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Berlin, bestätigt: „Die kulturelle Vielfalt Berlins ist eine wichtige Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt. Nicht nur Touristen, sondern auch Fachkräfte aus dem In- und Ausland werden durch eine lebendige Kulturszene angezogen. Wie viele Bereiche der Stadt steht allerdings auch die Freie Szene aktuell unter Druck: Flächen werden knapper, bezahlbarer Wohnraum muss geschaffen werden, und die finanzielle Basis ist in Zeiten überdehnter öffentlicher Haushalte gefährdet. Um so wichtiger ist es, dass der Dialog zwischen den Betroffenen, der Politik und der Wirtschaft aufrechterhalten wird. Denn gerade vor dem Hintergrund der knapper werdenden öffentlichen Mittel ist Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz ein hohes Gut. Davon hängt am Ende die gesamte Attraktivität der internationalen Metropole ab.“

Notker Schweikhardt, Senior Manager Kultur bei visitBERLIN, stellt fest:

„Ohne ein vielfältiges und diverses Kulturangebot ist Berlin nicht überlebensfähig – und diese kulturelle Vielfalt ist akut bedroht, insbesondere durch die unverantwortlichen Kürzungen im Kulturhaushalt.

Kultur rechnet sich fast nie unmittelbar – aber Berlin kann es sich nicht leisten auf Kultur zu verzichten.

Erst Kultur macht Berlin interessant, lebenswert und zum internationalen Sehnsuchtsort. Nicht nur 75% der Besucher*innen kommen wegen der einzigartigen Kulturangebote nach Berlin – auch Konferenzen, Messen und Firmen zieht es deshalb an die Spree. Das Wort „Umwegrentabilität“ beschreibt es nur unzulänglich – Kultur ist identitätsstiftend für Berlin, schafft zig-tausend Arbeitsplätze und ist Berlins Alleinstellungsmerkmal.

Berlin ist Kultur. Kultur ist unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge für die Berliner*innen, Tourismusmagnet, relevanter Wirtschaftsfaktor und Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft.

Kultur ist nicht nur die „signature economy“ Berlins – Kultur ist das Herz Berlins. Und die Kulturförderung zu kürzen gleicht dem Abschnüren der Blutzufuhr – dann stirbt Berlin.“

Kerstin Wiehe – Kulturunternehmerin seit 1990 und Sprecherin für den Bereich Musik und Kulturelle Bildung in der Koalition der Freien Szene, ergänzt, dass: „… gerade der Bereich der Kulturellen Bildung in Berlin durch unklare und nicht final definierte Verantwortungsübernahmen für nachhaltige Finanzierung innerhalb der Ressorts wie Kultur und Bildung besonders ungesichert ist. Gleichzeitig braucht privatwirtschaftliche Kulturproduktion – oftmals geleistet durch kleinteilige Und selbstständige Strukturen – in Berlin eine stärkere Anerkennung und Unterstützung sowie ein Umdenken hin zum wichtigen Wirtschaftsbereich, auch durch die Einbindung in die klassischen Wirtschaftsfördersysteme.“

Christophe Knoch sagte: „Im Herbst 2024 wurde aus der Politik ein zentraler Grundkonsens Berlins ebenso mutwillig wie leichtfertig aufgegeben: dass nämlich das Kulturelle eine international ausstrahlende Kernqualität der Stadt ist, wesentlich für sozialen Zusammenhalt, Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft und nicht zuletzt, für die wirtschaftliche Umwegrentabilität. Diese Störung ist vielleicht auch exemplarisch für ein Berlin, in dem zunehmend das Fertige das Werdende verdrängt. Ich glaube dennoch sehr an diese besondere Fähigkeit Berlins sich stets neu zu erfinden. Überwunden und geheilt werden kann eine solche Störung aber nur durch ein großes gemeinsames Gespräch zwischen Politik, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft – und dieses sollten wir jetzt ohne Zögern führen.“